Wie Künstler erfolgreich ihre Kunst verkaufen

Bekanntheit / Reputation, PR / Pressearbeit, Werbung

Mit „kleiner“ Kunst zum Stadtgespräch

oder: Die Provinzposse des Jahres 2013

Durch Provokation können Künstler sehr schnell bekannt werden. Ein Beleg für diese These ist das amüsante Beispiel der Kunstinstallation „Röschen Dorn“, die kürzlich in der Kleinstadt Wolfratshausen, im Münchner Süden für ordentlich Wirbel sorgte. „Röschen Dorn“ war eine Woche auf der Titelseite der Lokalzeitung, weil die Kunstinstallation die Kleinstadt als „Schlafstadt“ bezeichnete und damit empfindlich den Nerv der Stadtverantwortlichen getroffen hatte. Das Kunstwerk wurde zum Gesprächsstoff Nummer eins in der Region – und wie es der Redaktionsleiter des Lokalblattes so schön auf den Punkt brachte: „Die Provinzposse des Jahres 2013.“

Röschen Dorn

Wo man die Gehsteige
nach Feierabend hochklappt

Der gelernte Dekorateur Max F. sagt gerne offen was ihm nicht behagt. Zum Beispiel, dass die Stadtvertreter in Wolfratshausen so tun, als wäre alles bestens und viel los in ihrer schönen alten Stadt im Münchner Süden an der Loisach und Isar (wo übrigens auch der Bayerische Ministerpräsident a.D. Edmund Stoiber samt Familie lebt). Derweil schließen immer mehr Läden und immer weniger Besucher und Käufer finden den Weg in den historischen Kern mit seiner tausendjährigen Flößertradition.  Der Grund dafür liegt unter anderem daran, dass  es kaum Restaurants und Cafés gibt, die im Sommer draußen zum Verweilen einladen. Dass es wenige Parkmöglichkeiten gibt und die auch noch kostenpflichtig sind, und sich der Straßenverkehr durch den alten Ortskern zieht.
Alle Bemühungen, um an der Situation etwas zu verbessern, sind bisher gescheitert. Deshalb versucht ein ehrenamtlicher Verein die Altstadt zu beleben und initiiert unter anderem alle zwei Jahre die sogenannte Kunstmeile, an der heuer  70 Künstler in den Schaufenstern der hiesigen Geschäfte ihre Werke ausstellten. Die Idee ist grundsätzlich gut:  Die Künstler können kostenlos ausstellen und die Geschäftsleute können daraus eine Marketing-Aktion zu machen. Doch das Win-Win-Verständnis ist noch nicht bei allen Ladenbesitzern angekommen.  Zwar stellen sie ihre Schaufenster zur Verfügung,  aber mehr aus der Aktion machen sie nicht. Keine Kundeneinladungen, keine kleinen Hausvernissagen und keine längeren Öffnungszeiten. Tatsache bleibt: In Wolfratshausen werden sprichwörtlich die „Gehsteige nach Feierabend hochgeklappt“.

Die ganze Aufregung nur,
weil sie schlief

Mit seiner harmlosen Kunstinstallation „Schlafstadt“  wollte der gelernte Dekorateur Max F. genau auf das hinweisen. Er ahnte nicht, welche Folgen sich daraus entwickeln würden.
Am Tag der Eröffnung der Kunstmeile baute er seine Holzkonstruktion im Ortszentrum auf. Es war eine Nachbildung einer Ladenfassade mit Schaufenster eines Altstadthauses – eine einfache Nachbildung aus Holz gezimmert und kunstvoll bemalt. Darin lag eine Schaufensterpuppe im karierten Bettzeug und schlief, während die Wanduhr gerade erst 19 Uhr anzeigte. Vor der Ladentür hatte der Künstler den nachgeahmten Gehsteig  auch noch hoch geklappt. Das war dann das Corpus Delicti. Denn prompt hieß es seitens der Stadt öffentlich in den örtlichen Medien zu lesen: „Das Ding muss weg.“
Während die Bürger und Künstler nach „Freiheit für die Kunst“ riefen,  bleib die Stadtverwaltung uneinsichtig.  Der Dialog kam in Gang und wurde zum öffentlichen Streitgespräch. Das  „Röschen Dorn“ avancierte in einem Tag zum Medienstar und blieb während der zweiwöchigen Kunstausstellung Gesprächsstoff Nummer eins und täglich die Titelseite der Regionalpresse. Damit wurde Max F. über Nacht regional bekannt. So schnell kann ein Künstler mit seinem Kunstwerk die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen, während 70 andere Künstler aus dem Blickfeld kamen.

Guter Stoff für die Medienmaschinerie
braucht keine große Kunst

Interessant bei dieser Aktion bleibt, dass es kein Kunstwerk hoher Kunstfertigkeit oder mit hohem Bekanntheitsgrad des Künstlers brauchte, um die Medienmaschinerie in Gang zu setzen. Denn Max F. war bis dato nur ein pensionierter Dekorateur, der nicht zur regionalen Kunstszene gehörte.  Dieser Fall zeigt schön, dass Provokation, in diesem Fall, offen kund zu tun, was gerne unter den Teppich gekehrt wird, die Öffentlichkeit in Bewegung setzt.  Hätten die Verantwortlichen diplomatisch reagiert und sich nicht provozieren lassen, dann wäre wohl alles nahezu unbemerkt im Sande verlaufen.

Es war eine harmlose Inszenierung, die fast schon satirische Züge annahm,  besonders, weil sich durch die Berichterstattung, in die sich beide Parteien hineinziehen ließen und immer mehr verstrickten, zum Instrument der Medienmaschinerie wurde. Hinzu kommt, dass die Leser sich nun mal genau für solche Geschichten interessieren, in denen die Emotionen hoch kochen. Nicht nur die Tageszeitung profitierte, auch Max F. – ob er es so wollte oder nicht sei dahingestellt –  wurde mit dieser Aktion stadtbekannt.
Übrigens ging die Story tatsächlich weiter.  Röschen Dorn war über Nacht verschwunden und ist bis heute nicht mehr aufgetaucht. Als bei Max F. dann schließlich auch noch die Polizei vor der Türe stand, um nach „Röschen Dorn“ zu ermitteln, wurde der Medienrummel dem Künstler zu viel.  Die Ermittlungen wurden inzwischen eingestellt. Der „Ruhm“ des Kunstwerks bleibt.

 

Überblick der Presseartikel zu dieser Kunststory:
http://www.merkur-online.de/verschiedenes/search/?qr=Maximilian+Fenzl&tt=1&sb=1&sn=&rs=&bc=Wolfratshausen&fd=&td=&es=1

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