Wie Künstler erfolgreich ihre Kunst verkaufen

Ausstellungen, PR / Pressearbeit, Verkaufen, Werbung

Kunst auf der Alm: Raus aus den elitären Galerien, rein in die Natur mit den Kunstobjekten

Wandern durch Freiluftgalerien. Ein Genuss für die einen, eine ideale Darstellungsform für die anderen.

Seit geraumer Zeit lässt sich im bayerischen Voralpenland eine ungewöhnliche Form der Kunstpräsentation beobachten: Ausstellungen und Symposien in frischer Luft. Warum nicht, wenn diese Region mit ihrer Alpenkulisse prädestiniert dafür ist. Nun stehen plötzlich Skulpturen entlang der Gipfelwanderwege und auf den Kuhweiden reibt sich das Rindvieh an der Kunst das Fell.

Ich bin Kulturreporterin im bayerischen Oberland und viel in der Szene unterwegs. Es ist die Region, die sich wie ein Band entlang der Alpenkette zieht – vom Tegernsee über Bad Tölz, Garmisch-Partenkirchen bis zum Starnberger See. Eine Bilderbuchgegend, die Künstler anzieht. Doch die haben zusehends an mangelndem Kunst- und Kaufinteresse zu knabbern. Bei den Musikern reicht kunstvoller Jazz oder handgemachter Blues im rustikalen Kulturkeller schon lange nicht mehr aus. Das Publikum will Hörgenuss mit Gaumenschmaus – quasi Kultur im Komplettpaket. Nicht anders geht es den bildenden Kleinkünstlern, die oft alleingelassen in ihren Ateliers auf Kundschaft warten.

In die Münchner Galerien kommt nur rein, wer einen Namen hat, aber wie soll man den bekommen? So schreit die Kleinkunstbranche förmlich nach neuen Marketingkonzepten und tatsächlich tut sich gegenwärtig auch recht viel. Plötzlich tauchen nämlich Skulpturen an den Gipfelwanderwegen auf und am Wiesenacker steht die Moderne Kunst herum. Diese Polarisation weckt Neugierde und von ganz alleine kommen die Wanderer mit Rucksack und Bergstiefel an der Kunst vorbei marschiert.

An dieser Stelle möchte ich zwei schöne Beispiele geben:

Kubismus auf der Kuhweide

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Oben an einem Wiesenhügel in der oberbayerischen Voralpenidylle steht ein kapitaler Gorilla, über den sich nicht nur das einheimische Fleckvieh wundert. Kraftstrotzend wirkt der Bronzekoloss im Gegenlicht und achtet seit kurzem sorgsam auf den Wiesenweg unterhalb seiner Anhöhe, denn dort haben sich ein paar merkwürdige Wesen versammelt. Es sind die imposanten Skulpturen und Plastiken aus Gips, Bronze, Stein und Metall des Bildhauers Hans Kastler, der seit gut vierzig Jahren hier am Starnberger See lebt und arbeitet.

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Nun hat sich der Künstler ein Denkmal gesetzt, gleich auf dem Acker neben seinem Atelier. Und nicht nur das, ganz nebenbei hat er eine Kulturinstitution geschaffen, die ihn regional derzeit gut ins Gespräch bringt. Zur Eröffnung kamen unerwartet viele Besucher und der Bürgermeister spricht schon jetzt von der „hochbeeindruckenden Kunstmeile“ seines Dorfes.
Der aufs Wesentliche reduzierte Kubismus des Künstlers steht im harten Gegensatz zum ländlichen Raum. So entsteht eine spürbare Spannung, die auch solche Besucher anzieht, die normalerweise nicht zu den Ausstellungsbesuchern gehören. So holt der Künstler mit überschaubarem Aufwand seine Arbeiten aus dem Versteck seines Ateliers.

Land-Art am luftigen Berggipfel

Nicht weit weg von Kastlers Skulpturenweg gibt es seit gut einem Jahr Deutschlands höchsten Kunstwanderweg „sinneswandel“. Siebzehn Objekte regionaler Künstlern stehen seitdem am Gipfelplateau des Blombergs bei Bad Tölz.
Als ich mich kürzlich auf den Weg dorthin machte, war ich überrascht, plötzlich einem nackten, korpulenten Mann zu begegnen, der dort entspannt seitwärts langgestreckt auf dem Almgelände liegt, seinen Kopf auf den Arm stützt und himmelwärts schaut. Auf einem Schild vor ihm steht: „Der Sternengucker“, eine Eichenholz-Skulptur des Münchner Bildhauers Ernst Grünwald. Ich ging den Weg weiter. An einem Waldstück sind mehrere Baumstämme mit weißer Farbe markiert, so als würden sie bald der Kreissäge zum Opfer fallen – abgestorben, von der Umwelt geschädigt. Doch einen Schritt weiter fügten sich vor meinen Augen die Markierungen zu einem riesigen Fischsymbol zusammen. Auch hier konnte ich auf einem Schild lesen: „Sinnsuche“, Land-Art von Monika Glasl aus Bad Tölz.

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Es ist wie ein wohlig, entspannter Wandel durch eine Freiluftgalerie mit atemberaubendem Blick ins umliegende Bergland. Den Kunstwanderweg hat der Kunstverein Tölzer Land 2008 ins Leben gerufen und in diesem Sommer dort das erste internationale Symposium stattfinden lassen. Eine Woche lang arbeiteten Bildhauer und Landartisten am Gipfelplateau. Gleich hinter der Bergstation der Gondelbahn war beispielsweise der Tölzer Künstler Josef Lang mit der Kreissäge am Werk und schuf vor den Augen der Bergwanderer eine seiner monumentalen Holzskulpturen.

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Während der Symposiums-Woche mussten sich die Künstler keine Sorgen um zu wenig Publikumsaufkommen machen. Von allein fanden auch diejenigen, die sonst nicht zu Ausstellungen gehen, in der Bergwelt den Zugang zu Kunst und Künstler ohne Schwellenangst. Sie konnten erleben, wie Kunst gemacht wird, die Objekte berühren, riechen, spüren, sie mit allen Sinnen begreifen. Hinter der Aktion stand freilich auch eine klare Botschaft, die zur gegenwärtigen Umweltsituation passt. Somit hat der Kunstverein nicht nur eine neue Methode des Eigenmarketings ausprobiert, sondern auch noch finanzielle Unterstützung von Staat und Land für diese Aktion bekommen. Die Kunstwerke am Höhenweg „sinneswandel“ verbleiben nun die nächsten Jahre dort, quasi als Umwelt-Mahnmal. Täglich kommen Bergwanderer vorbei und ganz nebenbei werden die regionalen Künstler am Gipfel des Blombergs durch diese Aktion bekannt.

Weiterführende Links:

Der Bildhauer Hans Kastler: http://www.hanskastler.com/

Deutschlands höchster Kunstwanderweg „sinneswandel“: http://www.kunstverein-toelzerland.de/Wanderkarte.402.0.html

Alle Fotos von Andrea Weber ©

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  1. Karl-Heinz Buri

    Kunst in der Voralpenidylle – die Verbindung von Landschaft und künstlerischem Schaffen in ihr klingt verlockend, denn zumindest seit den Zeiten, als z.B. Henry Moores Skulpturen in die wilde Natur gebettet wurden ( oder etwa Hajek im Park an der Hasensteige in Stuttgart, oder die Skulpturen auf dem Feld am Rand des Federsees…) kennen wir die den Geist und das Gemüt des Betrachters anregende Wirkung dieser Art der Präsentation. Weil aber die Kosten in unseren Zeiten sehr hoch sind – im Extremfall hier bei mir im württembergischen Allgäu, in wirklich zauberhafter Voralpen-Umgebung, fordert ein Veranstalter bis zu 50% Gewinnbeteiligung, neben schon sehr hohen Grundgebühren – ist der Anreiz für den Kunstschaffenden, den „privaten“ vor allem, im allgemeinen doch recht bald wieder dahin geschmolzen…
    Karl-Heinz Buri

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