Wie Künstler erfolgreich ihre Kunst verkaufen

Bekanntheit / Reputation, PR / Pressearbeit, Preis / Wert, Werbung

Wann ist Kunst gesellschaftlich relevant?

Zwei Beispiele wie Künstler es schaffen, mit ihrer Kunst etwas zu bewegen

Die Absichten von Künstlern sind so komplex wie ihre Kunst selbst. Ob ein Maler etwas über sich in seinen Bildern verrät oder ein Bildhauer einfach entstehen lässt, was entstehen will. Ob von Kunstobjekten die Rede ist, deren Titel „Ohne Worte“ auskommen oder von anderen, die davon viel brauchen um erklärt zu werden. Kunst ist individuell. Aber wann wird sie bedeutungsvoll? Wann beginnt Kunst eine größere Wirkung in der Gesellschaft und im Zeitgeschehen zu erzielen? Und wann verliert sie den Selbstzweck?

Ich will in diesem Beitrag weder bewerten, noch beurteilen, noch mir anmaßen, was gute Kunst ist und was nicht. Für mich hat jede Form von Ausdruck Qualität, wenn sie in mir Prozesse auslöst, seien es Gedanken, seien es Gefühle. Genau das haben zwei Künstlerinnen getan: Die Amerikanerin Emily Prince, die täglich Porträts von gefallenen Soldaten malt und die Deutsche Christiana Biron, die ihre künstlerische Gabe nutzt, um Kindern in einem Waisenhaus Selbstvertrauen und Mut fürs Leben zu geben.

5200 Porträts toter Soldaten

Emily Prince fing 2004 an, die im Irak und in Afghanistan gefallenen US-Soldaten mit Bleistift zu porträtieren. „Täglich hört man von neuen toten Soldaten – Fünf hier, 14 da, Tag für Tag. Und dann waren es plötzlich über Tausend“, schreibt sie auf ihrer Website. Emily Prince wollte nicht länger nur anonyme Zahlen der Gefallenen in den Medien hören, die schon am Folgetag in Vergessenheit geraten, sondern wollte vielmehr eine emotionale Verbindung zu den jungen Männern aufbauen, die in den Kriegsgebieten ihr Leben lassen.
Seit sechs Jahren prüft die Amerikanerin täglich die Seiten der Online-Zeitung „Military Times“, die jedem gefallenen G.I. eine Gedenkseite widmet, mit Porträtfoto und ein paar persönlichen Worten. Prince zeichnet die Gesichter der Gefallenen in Miniporträts nach und versieht die kleinen Porträts mit Namen, Alter und Todesdatum. Sie berührt die Soldaten quasi mit ihrem Bleistift, wie ein Blinder, der mit der Hand die Gesichtszüge seines Gegenübers ertastet. Die Künstlerin meint aus den Stirnfalten zu spüren, wer der ihr fremde Mensch war, meint in seinen Augen zu lesen, was ihn bewegte, für das Vaterland zu kämpfen und den Tod in Kauf zu nehmen. Bis heute sind 5200 solcher Mini-Porträts entstanden. 2008 wurde diese Sammlung  auf der Biennale in Venedig ausgestellt und sorgte erstmals international für Aufsehen.

Mit Kunst in Sarajevo helfen

Die Deutsche Christiana Biron hat nicht Grafikdesign studiert, um viel Geld mit originellen Keksverpackungen zu verdienen, sagt sie. Die 32-jährige Künstlerin aus Bayern lebt seit fünf Jahren in Sarajevo. Sie will mit ihrer künstlerischen Arbeit in der bosnischen Stadt Menschen helfen. Wenn sie von ihrer Wahlheimat erzählt, dann fangen ihre Augen an zu leuchten. Für sie ist das eine Stadt, die die Probleme der ganzen Welt widerspiegelt, wo der Muezzin vom Dach schreit, während die Kirchenglocken läuten. Wo Kulturen nebeneinander leben, die sich nicht unbedingt gut verstehen. Ein Leben, das nicht unproblematisch ist, doch interessant.
Biron filmt, sie zeichnet, sie installiert, sie fotografiert. „Die Kunst ist mein bester Freund und zugleich meine härteste Waffe“, sagt sie. Denn sie schießt damit und zielt auf das, was ihr nicht passt. „Ich will mit meiner Arbeit Zeichen setzen.“
Birons Kunst ist nicht dekorativ. So hat sie schon mal „politische Unterhosen“ entworfen, die sie unter der Kleidung trug, mit Parolen darauf gedruckt gegen die Korruption in ihrer bosnischen Wahlheimat. „Man muss mit dem was man sagt aufpassen, um nicht selbst in die Schusslinie zu geraten.“

Ende 2009 hat Christiana Biron in der Galerie „10m2“ in Sarajevo in ihrer Ausstellung „Colanization“ auf die aggressive Verbreitungsmethodik der Marke Coca Cola aufmerksam gemacht.

Ende 2009 hat Christiana Biron in der Galerie „10m2“ in Sarajevo in ihrer Ausstellung „Colanization“ auf die aggressive Verbreitungsmethodik der Marke Coca Cola aufmerksam gemacht.

Heute noch sterben in Sarajevo Kinder beim Spielen durch Tretminen. Eine unberechenbare Gefahr, die der Krieg hinterlassen hat. Große Organisationen suchen danach, doch das Geld fehlt, um sie alle zu finden. Biron sammelte Spendengelder auf der Straße ein, indem sie Kugelschreiber und T-Shirts mit ihrer Kampagne „The Problem Is Mine!“ verkaufte.

Sie bekommt wenig Geld für die Arbeit mit den Kindern im Waisenhaus in Sarajevo

Sie bekommt wenig Geld für die Arbeit mit den Kindern im Waisenhaus in Sarajevo

Zwei Tage pro Woche arbeitet die Künstlerin – in Sarajevo auch als tiana-alexis bekannt  – mit Kindern in einem Waisenhaus in Sarajevo. Sie malt mit ihnen, spielt Theater, macht Musik. Sie bekommt wenig Geld für ihre Arbeit bezahlt. Das Honorar ist ein gutes Gefühl, weil sie weiß, dass sie die Kreativität in den Kindern weckt, ihnen Selbstvertrauen und Mut für den Lebensweg gibt.
Dieser Tage arbeitet sie mit den Kindern an einem Collage-Projekt für ein Kinderbuch mit dem Titel „Terrafirma“. Sie produzieren gemeinsam die Fotos und Grafiken und entwickeln das Storyboard. Für dieses Buchprojekt sucht Christiana Biron nach einem Verleger. Sollte ihr eine Veröffentlichung gelingen, will sie den Großteil der Einnahmen den Kindern überlassen.

Das aktuelle Collage-Projekt für ein Kinderbuch mit dem Titel „Terrafirma“.

Das aktuelle Collage-Projekt für ein Kinderbuch mit dem Titel „Terrafirma“.

Mehr ist als nur „Dekoratives fürs Gästeklo“

Die Kunst von Emily Prince und Christiana Biron ist mehr ist als nur „Dekoratives fürs Gästeklo“, wie es einmal ein Galerist treffend formulierte. Beide schaffen den Zugang zu ernsten Lebensthemen und machen mit ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit darauf aufmerksam.  Zurzeit sind die 5200 Miniporträts in der Londoner Saatchi-Galerie ausgestellt und zeigen eindrucksvoll die grausame Wirklichkeit des Krieges. Mit ihren Bildern macht sie das Geschehen greifbar und sichtbar. Emily Prince ist noch lange nicht am Ende ihres Kunstwerkes angelangt, es werden wohl noch viele von ihren Totenporträts dazu kommen, ehe das Töten auf der Welt endet.

Homepage von Emily Prince: www.alloftheamericanservicemenandwomen.com
Die Gedenkseite der toten Soldaten: www.militarytimes.com
Spiegel Online Fotostrecke ‚Tote Soldaten: Acht Jahre Krieg im Porträt‘: www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-51081.html

Homepage von Christiana Biron: www.tiana-alexis.de

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  1. Sehr bewegender Artikel! Ich werde mir die Ausstellung von Emily Prince in London auf jeden Fall ansehen!

  2. Shanin

    Die zwei bewundernswerte Beispiele sind bestimmt nicht die Einzigen. Viele hingebungsvolle Menschen engagieren sich mit problematischen Situationen und durch ihre Gaben und Tallente dienen sie STILL den verschiedenen Bedürftigen.

    Das Problem der Künstler ist, dass sie normalerweise Vorreiter sind . So zeigen viele Künstlerbiographien, dass Erfolg und Anerkennung sich erst viele Jahre später einstellen. Und ohne das, bleibt die Kunst „brotlos“, die Künstler sind selbst bedürftig.

    Ein Kunstwerk betrachte ich als eine Art „Flaschenpost“ – man drückt sich aus, lässt die Post auf die Wellen des Menschaenozeans schwimmen, und hofft, dass „die Flasche“ den richtigen Empfänger erreicht.

    In den og Fällen haben die zwei Frauen schon ihren konkreten Empfänger. Das Leben ist voller Nöte und Probleme. Durch die Kunst kann man den Geist und die Seele heilen. Doch das braucht Zeit. Und da, wo es Existenzprobleme bestehen, denkt man zuletzt an Kunst.

    Wie durch alle anderen Tätigkeiten, sollte man durch seinen Tallent „den Nerv“ der Zeit treffen. Kein Selbstzweck, sondern gesellschaftlich engagiert. Den hohen Podest des Gottesauserwählten verlassen, konkreten Menschengruppen dienen. Eine Art Samaritertätigkeit. Geistige Werte lassen sich so wie so schwer in Beträge ausdrücken.
    Das ewige moralische Dilema – Kunst verkaufen, oder Kunst schenken, bleibt bestehen, solange wir in einer gelddiktierten Welt leben. Nicht jeder ist bereit, sein Ohr abzuschneiden….

  3. Sankt EXentrico

    Wann ist Kunst gesellschaftlich relevant? Darüber entscheidet die Gesellschaft, nich der Künstler. Sofern ist die Frage nicht nur überflussig, sonder geht auch am Thema vorbei.
    Kunst wird immer wieder in eine Ecke gedrängt in die sie nicht gehört: „Politisch“ ist einer der krassesten Beispiele! Die „äusere Darstellung“ ist nur ein Träger des künstlerischen Ausdrucks, nicht der Kunst an sich!
    Oft höre ich in Galerien, Ausstellungen und Museen den verschämten Satz. “ Ich verstehe nichts von Kunst“. Das ist das Wasser auf die Mühlen der Kunstführer. Die unsicheren Betrachter sollen sich die Frage stellen:
    „Verstehe ich wie ein Fernsehen funktioniert?“ Oder: Verstehe ich Frauen? VERSTEHE ICH NICHT!..und trotzdem kann ich mich daran erfreuen! Wo ist dann das Problem mit der Kunst? Kunst soll Freude machen und nich bilden, denn dazu ist sie gar nicht im Stande!
    Es ist schön und es berührt mich. Oder besser:
    Es ist schön, WEIL es mich berührt! Nicht mehr und nicht weniger. Es ist nicht die Aufgabe der Kunst den Verstand anzusprechen. Alles was eine Erklärung bedarf ist Betrug am Betrachter und ein Unvermögen des Künstlers. Selbstverständlich bleibt es jedem unbenommen
    sich aufklären zu lassen. Dass man das Kunstwerk nachher „mit anderen Augen sieht“ bleibt der Einbildungskraft eines jeden überlassen. Angenommen: Sie haben nach 10 Jahren wieder ein Bild gesehen, zu dem sie damals einen Kommentar gehört haben. Das Bild fasziniert sie heute noch, den Kommentar haben sie längst vergessen. Wo sind dann ihre „andere Augen geblieben“?????

  4. Wann ist Kunst für die Gesellschaft relevant?
    Nun das sie von Begin ihres Entstehens, von der Auswahl der Leinwand, des Stein`s oder des Stils.
    Wir Künstler haben uns in dem letzten Jahrhundert defamieren lassen, man bezeichnet uns als Spinner, Alkoholiker, Drogenkonsumenten und weiß Gott nicht alles …..in manchen fällen mag das auch stimmen, aber die gibt es auch in andren Berufen.

    Was wir Künstler nur allzu gerne vergessen ist das wir diejenigen sind die in ihren Werken die Zeit wieder spiegeln in der wir gelebt haben und das nach unserem Ableben das Werk bleibt, für die Nachwelt bleibt.
    Wir konservieren unsere Zeit und somit ist die Kunst, egal in welcher Form sie an das Tagelicht tritt relevant.
    Wer wüsste, welche Kleidung man im 15.Jahundert getragen hat, wenn z.B. Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raphael oder Botticelli sie nicht in ihren Werken verewigt hätten, konserviert haben?
    Niemand!

    Wir Künstler lassen uns nur allzu gerne das Heft aus der Hand nehmen und andere darüber entscheiden was Kunst ist.
    Warum tun wir das?
    Weil es uns an Selbstvertrauen fehlt, die Wenigsten können sich bei einem Galeristen durchsetzen, sie beugen sich dessen Anordnungen. Wenn der sagt du kommst im Handstand in die Galerie dann machen wir das. He der verdient mit unserer Arbeit Geld und bestimmt über unser Sein.
    Wir liefern das „Endprodukt“ damit ander reich werden .
    Oder wir können uns einem Käufer gegenüber nicht durchsetzen und verkaufen unser Werke und somit uns unter Preis.
    In beiden Fällen stehen wir da als sei Gott zu uns heruntergekommen stammeln irgend etwas, sind unsicher in unserem Handeln und zeigen mit unserer Unsicherheit, dem Gegenüber das er ein leichtes Spiel mit uns hat.
    Wir haben vergessen mit unserer Kunst zu begeistern.

    Womit wird heute Kunst definiert, nicht mit dem was der Künstler erschaffen hat sondern ob dieser mit seinen Werken einen Markt eröffnen kann.
    Denn ein Künstler der mit seinen Werken kein Geld einbringt hat verloren.

    In dem Beitrag meines Vorgängers las ich Zitat: …Oft höre ich in Galerien, Ausstellungen und Museen den verschämten Satz. ” Ich verstehe nichts von Kunst”… Zitatende
    Auch ich höre das tagtäglich.
    Nun jemand der in einer Galerien, bei einer Ausstellung oder im Museen zugibt das er nicht von Kunst versteht unter all den Sachverständigen ist sehr mutig und verdient meine Anerkennung.
    So Jemand ist mir 1000mal lieber als einer der von Kunst etwas versteht, denn er geht unvoreingenommen an die Sache heran, er entscheidet sich nur für das was ihm gefällt und somit haben auch Künstler eine Chance die weniger oder noch gar nicht bekannt sind.
    Während ein Sachverständiger nur sieht wie viel bring mir das ein und hat dieser Künstler eine Wertsteigerung.

    Was die beiden Künstlerinnen Emily Prince und Christina Biron machen finde ich Bewundernswert.

    Ich sage es noch mal wir sind die, die unsere Zeit in der wir leben in unseren Werken konservieren und somit ist jede Form der Kunst in der Gesellschaft relevant
    Nur müssen wir das erst einmal erkennen.
    Euer
    Johakon

  5. Relevant – dieser Begriff wurde noch nicht geklärt. Inwiefern relevant, wichtig, bedeutend?
    Allem was hier gesagt wurde, sei es auch teils widersprüchlich, kann ich mich anschließen.
    Ich lese heraus, dass der Begriff relevant also sich entweder auf Sachverständige, sogenannte Kritiker, bezieht, oder aber auf Ottonormalverbraucher der sagt er hätte keine Ahnung.
    Gibt es diese Trennung wirklich?
    Es heißt auch immer, Jazz und klassische Musik seien was für Gebildete. Ach. Deswegen läuft solche Musik auch immer wieder in Werbespots…

    Bei Musikern scheint man relevant auch anders zu definieren. Die Stars sind nicht immer die, die eine Top-Ausbildung haben, auch nicht die, die sogenannte gebildete Musik bieten, nein, da ist es unterschiedlich. Auch da kommt es immer auf den ganzen Menschen an und was er macht, wofür er sich engagiert, was er sich dabei denkt.
    Wenn Kunst wirklich relevant wird, rückt auch die Person ins Interesse.

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