„Klimawandel“ und dann Autofahren?
Auf dem Blomberg bei Bad Tölz ist der höchste Kunstwanderweg Deutschlands (ich berichtete hier darüber). An sich eine tolle Sache, vor dem Hintergrund, dass die Künstler oben auf der Alm mit ihren Skulpturen und Land-Art-Objekten auf die Problematik des Klimawandels hinweisen. Ich ging zu Fuß hinauf, um zu sehen, was die Künstler dort oben taten, und musste feststellen, dass ich, am Gipfel angekommen, die einzige war, die sich die schweißtreibende Mühe gemacht hatte. Die Künstler waren mit dem Auto die Forststraße hinauf gefahren, wegen „des schweren Materials für ihre Kunstobjekte“, entschuldigten sie sich. Man hätte das durchaus mit dem Sessellift bewerkstelligen können – das wäre zwar aufwendiger gewesen, dafür umweltfreundlicher. Und für Letzteres bekam diese Kunstinitiative immerhin Zuschüsse von Seiten des Staats. Nun steht die Kunst dort oben als Mahnmal und soll in uns Wanderern, uns „Normalos“ quasi einen“ Sinneswandel“ hervorrufen – so heißt übrigens auch der Weg. Ich frage mich nur, wer den Sinneswandel notwendiger hat. Ich war damals als einzige zu Fuß unterwegs.
Kunstexkursion ohne Künstler
Bei derart längerfristigen Aktionen im öffentlichen Raum könnten sich Künstler einen Namen machen, sich als authentische Persönlichkeiten präsentieren, die für ihre Überzeugung stehen. Schade drum, dass nicht alle so vorbildlich sind. Kürzlich fand im Rahmen der Kulturtage einer Kleinstadt, südlich von München, eine Kunstausstellung von regionalen Bildhauern statt. An exponierten Plätzen – vor der Kirche, am Marktplatz, vor dem Rathaus – durften sie ihre Skulpturen über die Zeit von zwei Wochen ausstellen. Zur Eröffnung der Kulturtage sollte eine Exkursion mit Schülern stattfinden, die vor Ort mit den Künstlern in den Dialog treten sollten. Rund 80 Gymnasiasten machten sich mit ihren Lehrern auf den Weg. Nur waren keine Künstler gekommen. Schade drum, denn sind nicht die Schüler die Künstler von morgen?
100 Kunstwerke aus 22 Ländern über „das Mensch sein“
Natürlich gibt es auch die Künstler, die mit ihrer Kreativität und Phantasie etwas Wunderbares bewirken. Vor einer Weile besuchte ich die Künstlerin Inge Friedl in Bad Tölz, die seit Jahren Kunst aus der ganzen Welt sammelt, jedoch nicht als reiche Mäzenin. Sie verfolgt ein anderes Ziel. Ihr Engagement begann mit dem Attentat auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001. Zehn Künstler, darunter sie, fragten damals nicht nach dem Warum, vielmehr interessierte sie, was hinter dem Denken und Handeln steckt, das Menschen zu sowas fähig macht. Die Künstler ließ die Frage „Was ist Mensch sein?“ nicht mehr los. Inge Friedl bat in einem Brief, andere Künstler auf der ganzen Welt, sich diesem Thema malerisch zu widmen und ihr je ein Bild zu schicken. Sie versprach, diese Bilder in einer Wanderausstellung immer wieder der Öffentlichkeit zu zeigen. Es kamen über 100 Kunstwerke aus 22 Ländern per Post zu ihr nach Bad Tölz.
Eine andere Künstlerin, Maria Neumann, hat sich schon als Kind ihre eigene Welt ausgemalt, erzählt sie, mit den Tieren die sie liebt und fröhlichen Kindern, die unbeschwert durch die Wiesen hüpfen. Bis heute hat sich in ihren Bildern nicht viel geändert. Trotz ihrer heilen Bilderwelt vergisst Maria Neumann nie, dass es in anderen Regionen der Welt nicht so sorglos zugeht. Seit dreißig Jahren engagiert sich die Künstlerin für den „Aktionskreis Eine Welt“ südlich von München. Diese Hilfsorganisation unterstützt Projekte in Indien (Govindapuram) und Afghanistan (Chak-e-Wardak). Der Aktionskreis sucht zum Beispiel Paten, die durch ihre finanzielle Unterstützung den Kindern dort den Schulbesuch ermöglichen. Seit vielen Jahren malt Maria Neumann für dieses Projekt.
Nicht allein die Gabe der Phantasie ist ausschlaggebend, um gute Kunst zu machen. Ist es nicht viel wichtiger, daraus mehr zu machen und das künstlerische Bestreben auch zu leben?
Ich finde, Kunst darf kein Deckmantel für persönliche Ziele werden.
Weitere Infos:
Aktion „Was ist Mensch sein?“ von Inge Friedl: http://www.kunst-und-genuss.de/toelzer_art/aktionen/ms_verteiler.htm
„Aktionskreis Eine Welt“:
http://www.aktionskreis-einewelt.homepage.t-online.de/
Foto mit freundlicher Genehmigung von Andrea Weber
Vielleicht auch interessant?
Wir recherchieren und schreiben alle Artikel sorgfältig nach bestem Wissen und Gewissen. Dabei können wir für die genannten Informationen keine Gewähr übernehmen. Bei rechtlichen Fragen und in wichtigen Fällen wende Dich bitte an einen entsprechenden Fachanwalt oder Experten. Falls es ein Problem gibt oder Du Fragen, Hinweise, Beschwerden oder Anregungen zu diesem Artikel hast, schick uns bitte eine » Nachricht, damit wir uns darum kümmern können.
Eilhardt Detlev
Kunst ist eine Ausdrucksform. Punkt. Ob ein Politiker eine 100seitige Abhandlung über den Klimawandel auf blütenweißes Papier schreibt und damit nach Mexiko fliegt oder ein Bauer mit drei Worten auf dem Feld den Wandel beanstandet. Jeder Mensch lebt in seinem Spektrum an Erfahrungen, Erlebnissen und Mustern. Manche Menschen drücken dieses Er-lebte in Form von Kunst aus – Ton, Schrift, Bild, Form, Bewegung. Die Beweggründe und ihre Ausdrucksweisen sind so unterschiedlich und einzigartig wie der Mensch selbst. Jeder Form von Kunst sollte deshalb Respekt gezollt werden. Was nicht heißt, dass sich Kunst auch als Ausdrucksform in die Facetten des herrschenden Kapitalismus verstrickt. Dass sich hier auch Auswüchse aller Art entwickeln ist selbstverständlich und muss zumindest toleriert werden. Wenn in Städten mit Hilfe der Kunst die Kauflust an verkaufsoffenen Sonntagen gesteigert werden soll, wenn Autohersteller ihre Modelle Picasso taufen, wenn Schauspieler oder Tennisstars ihren Status ausnutzen, um ihre Kunst zu verkaufen, dann steht davor immer der Mensch, der das schlussendlich konsumiert und somit auch seinem Geschmack, seiner Anschauung, seiner Vorstellung von Kunst Raum verschafft.
Aber hinter allem steckt immer die Antriebskraft, die Leidenschaft, der Wille, der Traum, die Liebe, das Kalkül eines Menschen, der sich gerne mitteilen möchte – in welcher Spielart auch immer.
Wer sich viel mit Kunst beschäftigt, der beschäftigt sich auch unweigerlich mit dem Menschen, der das Werk geschaffen hat. So viel Ausdruck, so viel Beliebiges, so viel Kraft, so viel Seichtes. Immer gibt es zwei Pole, so wie es heiß und kalt gibt.
Aber es gibt nur eine Wahrheit. Wer sich viel mit Kunst beschäftigt – sei es als Künstler oder Betrachter – der wird mit der Zeit die Aussprache der Kunst verstehen, wird sich ihre Kritik, ihre Zeitlosigkeit, die Tragik, das Leben und seine Geheimnisse bewusst machen und dann wächst auch die Toleranz gegenüber denen, die gerne gackern, wenn andere Eier legen. Kunst ist Menschsein.
thea laresser
ist es nicht oft mehr schein als sein, nicht nur in der kunstszene. also bleiben wir kritisch! man sollte aber im vordergrund immer die gute tat sehen.
thea laresser
Jakob Reh jr.
Ein interessanter und bewegender Bericht, der zum Nachdenken anregt. Es ist wahr, dass Kunst nicht nur persönliche Ziele des Künstlers verfolgen darf. Klar, jeder Künstler möchte eines Tages mit seiner Kunst zu Reichtum kommen. Jedoch gibt es auch gute Möglichkeiten, sich mit Kunst in der Welt zu engagieren. Ich denke, dass auch Künstler dazulernen können!
Beste Grüße
Jakob
Sonja Erika Baron
Es ist alles anders als es scheint!
Dies hat uns auf vielfältige Weise die Quantenphysik bewiesen. Auch Künstler können sich diesen universellen Gesetzen nicht entziehen.
Da passt der Schwachsinn von Seiten unserer Regierung, den CO²-Gehalt bis 2050 auf Null zu reduzieren gut ins Bild. Was liegt da näher, als solche obskure Events mit Steuergeldern zu finanzieren?!
Liebe Grüsse
Sonja Baron
RUDHI
Guter Artikel von A.Weber! Kunst ist, wenn man auch ohne monetären Erfolg weiterhin sein Bestes gibt…
J. Thams
Ich finde die Ansicht, dass die Kunst nicht nur für die Künstlerin bzw. den Künstler da sein sollte, viel zu einschränkend. Was stört es, wenn ich ganz alleine und nur für mich Kunst mache? Wem schadet es, wenn meine Bilder dann doch jemandem anderes gefallen und sie sie dann kauft? Davon geht die Welt doch nicht unter noch wird sie schlechter.
Dass unter dem Deckmantel von Kunst auch oft „Abzocke“ steckt oder Künstler/innen sich als weltoffen und sozial darstellen und dabei nur auf ihre Bankkonten schielen, ist ja eine andere Sache, die in diesem Artikel ja auch wunderbar herüberkommt.
Aber: Solange Kunst und die Künstlerin nicht lügen und vorgeben, ein höheres Ideal zu haben, ist es doch völlig in Ordnung, wenn sie niemals an die Öffentlichkeit treten oder keine Aussagen als die Suche nach Schönheit machen.
Auch Schönheit und in dieser kapitalisierten Welt „Sinnlosigkeit“ ist Kunst.