Wie macht man sich als Künstler zur Marke?
Als Thomas Baumgärtel vor 23 Jahren seine ersten Bananen rund um den Erdball an die Portale großer Kunsthallen, Museen und Galerien sprayte, verfolgte man den unbekannten Delinquenten als Straftäter. Mit seiner nachhaltigen Penetranz aber schaffte der deutsche Künstler es, seine Spraybananen zum inoffiziellen Logo der internationalen Kunstszene zu machen, zum Qualitätssiegel, das bald jeder haben wollte. So hat der Kunstmarkt den „Graffiti-Täter“ Baumgärtel zum begnadeten Künstler erhoben.
Der Künstler, ein Mensch als Marke? Erst vor Kurzem erhielt Boris Becker die Auszeichnung des „Superbrand Awards“. Sein Name ist nun Marke, genauso wie der Name von Franz Beckenbauer zwei Jahre zuvor schon zum Markennamen gekürt wurde. Diese Preisverleihung macht prominente Menschen quasi zu Labels und prämiert ihre Akzeptanz, Kundenbindung, Langlebigkeit und Marktdominanz. Auch in der Kunstszene gelten Marketing-Gesetze und so spricht es für sich, dass die renommiertesten Künstler diejenigen sind, die sich mit eigenem Kunststil und eigener Masche geschickt ins Medien-Licht setzen. Ihr Erfolgsrezept: Beständigkeit im Ausdruck. Im Gegensatz zu vielen anderen, die ständig versuchen, im Fahrwasser modischer Trends mitzuschwimmen.
4000 Bananen für die Freiheit in der Kunst
Thomas Baumgärtel gehört für mich zu dieser Sorte genialer Künstler, weil er seinen Weg zum internationalen Erfolg auf recht ungewöhnlich Weise ging. 1986 fing der heute 49-jährige Kölner Künstler damit an, per sogenannter Schablonenkunst – auch Stencil oder Pochoir genannt – gelbe Bananen mit Lackfarben an die Eingänge großer Kunsthäuser auf der ganzen Welt zu sprühen – zuerst inkognito als der „Bananensprayer“ versteht sich. 4000 solcher Graffiti-Bananen, die weder künstlerisch außergewöhnlich sind, noch auffällig groß, markierte Baumgärtel bis heute von Paris über New York bis Moskau an die Portale renommierter Galerien und Museen – oder sagen wir besser, Baumgärtel maßt sich an, die Bananen als Auszeichnung zu vergeben. Und nur denjenigen verpasst er sein Bananen-Emblem, die seiner Meinung nach zu den interessantesten Kunstorten der Welt gehören.
Freilich spricht sich so eine Aktion in der Kunstwelt schnell herum und weil seine Kunst im Prinzip nicht käuflich ist, ist sie umso begehrter. Was anfangs als Provokation und Schmiererei verteufelt wurde, hat heute den Stellenwert eines inoffiziellen Logos der internationalen Kunstszene, wurde gar zum Qualitätssiegel für die künstlerische Freiheit erhoben. Obwohl Baumgärtel mit seinen eigenen Arbeiten gar nicht selbst in den größten Häusern vertreten ist, wird sein Name doch immer in einem Atemzug mit ihnen genannt und ihre Reputation färbt so auf den deutschen Künstler ab. Was die Bananen ihm bedeuten, erklärt Baumgärtel auf seiner Homepage so: „Mit Wirkungen zu arbeiten und für die Freiheit der Kunst zu kämpfen sind die zentralen Themen in meiner Kunst. Die Banane ist für mich seit über 20 Jahren künstlerisches Medium und Untersuchungsinstrument des Kunstmarktes.“
Alles nur Banane?
Ist nun alles Banane was der Künstler macht? Ja und nein. Thomas Baumgärtel ist ein intermedialer Künstler und weitaus mehr als ein Maler im klassischen Sinne. Sein Werk umfasst neben den Sprühbananen auch Zeichnungen und Druckgrafiken, Fotocollagen, Übermalungen von Fotos, Übersprühungen von Gemälden alter Meister und Objektkunst im öffentlichen Raum.
Für 2014 hat er zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls die “Banane im Brandenburger Tor” geplant, eine riesige Bananeninstallation, die für die deutsche Geschichte und die künstlerische Freiheit gleichermaßen stehen wird.
Immer dominiert die Farbe der krummen Südfrucht in Baumgärtels Arbeiten und immer ist mindestens eine irgendwo im Kunstwerk zu sehen, ob gemalt oder installiert, gesprayt oder gebaut. Baumgärtel konzentrierte sich in seiner gesamten künstlerischen Laufbahn nur auf ein einziges Motiv und mit dieser Beständigkeit in Ausdruck und Material hat er seine Kunstform zum effektiven Marketinginstrument gemacht.
Daher behaupte ich: Wer sich für Kunst interessiert, der denkt bei der gelben Banane unweigerlich an den Bananensprayer, den deutschen Künstler Thomas Baumgärtel – oder etwa nicht?
Erfolgsrezept „Bananensprayer“:
- Penetrant wiederkehrendes Bananen-Motiv als unverwechselbares Logo
- Konzentration auf ein Motiv über die gesamte künstlerische Laufbahn (Jahrzehnte!)
- Alles Banane – die Wiedererkennbarkeit des Künstlers in allen seinen Werken
- Öffentliche Aufmerksamkeit durch provokante, „illegale“ Aktionen im öffentlichen Raum
- Bekanntheits- und Wertsteigerung durch massive weltweite Präsenz: Vor Ort im öffentlichen Raum und dadurch in den internationalen Medien (aktuell 4000 Bananen von Paris über New York bis Moskau)
- Geschickte Platzierung seiner Aktionen, so dass sie in einem Atemzug mit renommierten Kunsthäusern genannt werden und deren Reputation auf ihn abfärbt
Ausführliche Informationen über den Künstler Thomas Baumgärtel finden Sie auf seiner Homepage:
http://www.bananensprayer.de
Foto: Logo des „Bananensprayers“ Thomas Baumgärtel. Konstanz, Brotlaube/Münzgasse. Diese Datei wurde unter den Bedingungen der Creative Commons durch den User Fb78 im Wikipedia Projekt veröffentlicht.
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Jakob Reh, Jr.
Der „Bananensprayer“ Thomas Baumgärtel scheint mit seinem Bananen-Lebenswerk ein Geniestreich begangen zu haben.