Warum Kunstmessen für Künstler ein Muss sind am Beispiel der Art Basel 41 (16.-20.6.2010)
Kunstmessen sind nicht nur ein Handelsplatz. Sie sind auch ein Ort der Kommunikation. Nirgendwo sonst begegnet man Galeristen, Sammlern, Künstlern und Kuratoren in dieser Dichte. Ein Messebesuch sei daher den Künstlern empfohlen, die den Kunstmarkt näher kennen lernen möchten.
In den letzten Jahren sind überall Kunstmessen neu entstanden, aber nur wenige lohnen wirklich einen Besuch. Die wichtigsten europäischen Messen für zeitgenössische Kunst sind die ART BASEL; ART COLOGNE; FRIEZE (London), ARCO (Madrid), FIAC (Paris) und das ART FORUM (Berlin).
Die jedes Jahr im Juni stattfindende ART BASEL sollten Sie auf jeden Fall einmal besuchen, denn sie zieht wie ein Magnet die Kunstwelt an. Basel ist eine Woche lang „the place to be“. Sicherlich sind eine Fahrt nach Basel, der Messeeintritt, Verpflegung und evtl. Hotelkosten eine kleine Investition, aber man kann die Ausgaben ein wenig reduzieren, indem man die Reise frühzeitig plant und sich ein Hotel jenseits der Schweizer Grenze sucht. 2011 findet die ART BASEL vom 15.-19. Juni statt.
Eine Teilnahme an der Baseler Messe ist bei den Händlern äußerst begehrt, denn erst dann zählt man zu der ersten Liga der Händler. So gab es diesmal 1100 Bewerber, wovon ein Komitee 300 ausgewählt hat. 72 Galerien kamen aus den USA, 53 aus Deutschland und 32 aus der Schweiz. Stark vertreten waren Frankreich, Großbritannien (je 27) und Italien (20), und aus weiteren Ländern weltweit (z.B. Kanada, Polen, Australien, Kolumbien, Mexiko und Türkei) reisten Galerien an. Fünf Aussteller aus Indien waren dabei. Damit ist die ART BASEL ungleich internationaler aufgestellt als andere Kunstmessen im deutschsprachigen Raum. Was viele nicht wissen: Der finanzielle Aufwand der Händler ist hoch. So sind in Basel 560 CHF pro Quadratmeter zu investieren, was bei einem Stand mittlerer Größe schon einen Betrag von über 30.000 CHF ausmacht. Hinzu kommen noch Werbungskosten, Sonderausstattung des Standes (Stellwände, Beleuchtung, Elektroanschluss, Internetverbindung), Hotelkosten, Anreise, Personal, Versicherung, Transport etc. Doch die Investition lohnt: Keine andere Messe bietet dieses Umsatzpotential. Der Kunsthandel leidet immer noch sehr unter den Auswirkungen der Finanzkrise, und so war auch diesmal in Basel der Verkaufsdruck zu spüren, vor allem bei den kleineren Galerien, die am Rande der Besucherströme der beiden Ebenen der Messehalle 2 ihren Platz gefunden hatten: Ziel einer Teilnahme ist es ja nicht nur, an ein paar Adressen wichtiger Sammler und Kuratoren zu kommen, sondern auch einen nennbaren Gewinn verbuchen zu können. Die diesjährigen Resultate lassen jedoch hoffen, dass die vielgenannte „Krise“ einem positiven Trend gewichen ist. Inzwischen wird sogar wieder von einer „neuen Kauflust“ gesprochen, zumindest ließ das die Dominanz der amerikanischen Sammler, die sich dicht gedrängt in den Gängen der Hallen tummelten, vermuten.
Was man in Basel besonders gut studieren kann, ist, wie man ein Werk gut präsentiert, welche Werke besonders gut bei den Besuchern ankommen und wie das Miteinander von Galerist und Sammler funktioniert. Und natürlich muss auch jede Galerie dafür sorgen, dass die Presse, die über die Messe berichten will, nicht den Eindruck gewinnt, die ausgestellten Werke seien nur „für den Markt produziert“ worden, was ein Kritikerauge dennoch bemerken wird, so offensichtlich sind manchmal die Qualitätsunterschiede zu den institutionellen Präsentationen einiger Künstler. Sie fragen sich jetzt, wie man dieses feststellen kann? Nun, dazu sei hier der Besuch von Messen und Ausstellungen angeraten! Man muss sein Auge schulen und offen bleiben für alle Medien, auch wenn man selbst weder mit Videoinstallationen, mit Concept Art noch mit Performances etwas am Hut hat. Eine Kunstmesse gibt immer auch einen Überblick über das aktuelle Kunstgeschehen. Hier können Sie Ihre eigenen Werke hinterfragen und vielleicht Anregungen aufnehmen.
Die folgenden Beispiele halte ich für besonders erwähnenswert, da ihre Präsentation, ihre Aussage und Umsetzung sowie ihre visuelle Kraft vorbildlich sind. Alle Namen der hier erwähnten Künstler lassen sich googeln, Kunstbuchhandlungen halten Literatur vorrätig.
In der Sektion ART UNLIMITED wurden 56 großformatige Werke, darunter viele Videoarbeiten, unter dem Aspekt „Gedanken zum Raum“ eingerichtet. Besonders beeindruckend war eine 360-Grad-Video-Installation von Doug Aitken. Sie umtost den Besucher mit flirrenden Buchseiten, verführt das Auge mit der ungeheureren Präsenz von Popcornmassen, mit rhythmischen Bildern, die sich immer wieder um einen herum bewegen. Auf den Videowänden ist Ed Ruscha zu sehen, der berühmte amerikanische Maler, dessen ruhiges Auge im schönen Gesicht des Alters die explosiven Veränderungen unserer Kultur zu betrachten scheint. Zu Recht wurde dieses Werk inmitten der Halle präsentiert. Ganz leise kommt im Video von Rivane Neuenschwander und Cao Guimarães eine Seifenblase durch ein leeres Haus geschwebt. Sie kann nur von Raum zu Raum wandern, die Fenster sind verschlossen. Der Lichtraum von Otto Piene aus dem Jahre 1961-81 bringt den von der Kunstbetrachtung nach dem Besuch der vielen Messestände in den anderen Hallen übersättigten Besucher wieder zur Besinnung. Man hört nur den Maschinen zu, sieht die wandernden Lichter und entspannt sich im Dunkel des Raumes. Besonders anhand dieser großen Arbeiten, die aufgrund ihres Raumbedarfs in einer regulären Koje nicht ausstellbar sind, kann man sehr gut studieren, wie man ein Werk präsentiert, wie man mit manchmal einfachsten Mitteln eine museale Wirkung erreichen kann.
Überzeugend war diesmal auch die Auswahl der jungen Künstler, die eigens für den Sektor ART STATEMENTS Werke geschaffen hatten. Unter ihnen fielen vor allem der Film über einen Jugendlichen, der infolge eines Drogenrausches von Halluzinationen bedrängt wird, der Künstlerin Claire Hooper (bei Hollybush Gardens, London) auf und Simon Fujiwaras Installation zur Franco-Ära seines Heimatlandes (Neue Alte Brücke, Frankfurt a. M.). Beide haben damit den diesjährigen Baloise-Kunstpreis gewonnen.
Besuchen Sie also Kunstmessen! Vielleicht kommt es auch zu dem einen oder anderen Kontakt zu Galeristen, Künstlerkollegen, Ausstellungskuratoren oder – idealerweise – zu Sammlern. Die nächste Gelegenheit gibt es in Berlin: Das Art Forum öffnet für Besucher vom 7. bis 10. Oktober 2010 jeweils von 12 bis 19 Uhr (Preview und Vernissage am 6.10. sind nur für geladene Gäste). Schauen Sie! Vergleichen Sie! Lassen Sie sich faszinieren und üben Sie ruhig Kritik! Auch das gehört dazu!
Weitere Informationen:
Die Website der Art Basel:
http://www.artbasel.com
Eine Liste der Termine von Kunstmessen stellt der BVDG (Bundesverband Deutscher Galerien und Editionen) bereit: http://www.bvdg.de/info-messe_alle.php
Otto Piene: hier finden Sie eine Abbildung des Lichtraums: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/kultur/ueberregionale-kultur_artikel,-Otto-Piene-und-die-Zero-Kunst-auf-der-Art-Basel-_arid,103817.html
Zum Baloise-Kunstpreis:
http://www.baloise.com/website2/chbs585d.nsf/web/Engagement/Kunst/Kunstpreis/Kunstpreistraeger2010?OpenDocument
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Heidemarie Gerauer
Ich finde diesen Beitrag sehr informativ und anregend. Man bekommt sofort Lust, Kunstmessen zu besuchen, insbesondere die in Basel. Liebe Grüße an alle Kunstinteressierte und natürlich an alle Kunstkolleginnen und – kollegen.
Gedi
Jakob Reh jr.
Ausgezeichnet, genau so wird das gemacht! Man muss immer mitten drin statt nur dabei sein, erst dann kann man erfahren, wie steinig der Weg des Künstlers ist, der von seiner Kunst leben möchte!
Toller Beitrag! Bei meiner nächsten Ausstellung in Berlin werde ich bestimmt die Gelegenheit nutzen, um das Art Forum zu besuchen!
Beste Grüße, Jakob Reh jr.
thea laresser
dieser artikel ist sehr informativ, gerade für künstler die am anfang stehen und tips brauchen.
grüsse aus passau, thea laresser
Eilhardt
Informativ auf jeden Fall. Ich war auf der art Basel. Organisation und Abwicklung: sehr gut; nur die Wartezeiten und die Enge in den Restaurants waren eine Zumutung, aber das nur am Rande. Trotz der unglaublichen Menschenmassen blieb das Gedränge aus, alles sehr zivilisiert und unglaublich cool. Schade, dass manche Besucher ihre Finger nicht von Schnüren, Drähten und glänzenden Objekten lassen konnten – in manchen Galerien waren die Betreiber unglaublich arrogant und gelangweilt, in anderen wieder sehr aufgeschlossen.
Ich hatte mich unvoreingenommen treiben lassen – es war ein Erlebnis der besonderen Art und ich werde wieder hin gehen.