Wie Künstler erfolgreich ihre Kunst verkaufen

Ausstellungen, PR / Pressearbeit, Verkaufen

Ich stehe in der Zeitung – Wie kommt es zu Top oder Flop?

Journalistentipp Teil 2: Das professionelle Gespräch mit Medienvertretern

Wer sich als Bildender Künstler mit einer Ausstellung in der Öffentlichkeit präsentiert, der muss sich den Fragen der Zeitungsmacher stellen. Oft aber ist die Überraschung groß, was am Tag danach im Artikel zu lesen steht. Hat der Journalist etwa nicht richtig zugehört? Hat er nicht verstanden, um was es eigentlich geht? Was war im Gespräch schief gegangen?

Meine Aufgabe als Kulturjournalistin ist es, für den Kulturteil einer Tageszeitung sogenannte Besprechungen von Kunstausstellungen zu schreiben, in denen es um den Künstler und seine Kunst geht. Meist gelingt mir das sehr gut, manchmal passiert es aber doch, dass sich der Künstler in der Veröffentlichung nicht mehr wieder erkennt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle gerne aus meinem „Nähkästchen plaudern“ – quasi meine Arbeitsweise aufzeigen und darauf eingehen, warum so ein „Missverständnis“ passieren kann.

Schon wieder einer, der „immer schon gerne gemalt hat“

Ich war schon auf unzähligen Vernissagen zu Gast, habe mit unzähligen Künstlern gesprochen. Immer läuft diese Begegnung im gleichen Schema ab. Ich komme etwas früher zur Eröffnung, schnuppere zuerst die Galerie-Luft, das heißt, ich nehme die ausgestellten Kunstobjekte in ihrer Gesamtheit war, beobachte die Gäste. Dann schaue ich mir jedes Exponat genauer an und spüre, was in meinem Inneren passiert. Denn ich beurteile nie, ob mir die Kunst persönlich gefällt, sie muss originell sein und mich gefühlsmäßig berühren. Danach schnappe ich mir den Künstler und oute mich als diejenige, die im Auftrag der Redaktion einen Artikel über ihn und seine Ausstellung schreiben wird. Ich habe mir längst meine Meinung gebildet und will nun seine erfahren und eine Geschichte dazu. Und dann passiert fast immer das Gleiche, ich höre vom Künstler: „Nun ja, ich habe immer schon gerne gemalt.“ Vor lauter falscher  Bescheidenheit vergisst er ganz, dass die Zeitungen Stories brauchen und der Journalist nach einem besonderen Aspekt sucht, um den er seine Geschichte herum bauen kann. Es gibt hier eine einfache Formel: Je besser die Geschichte, desto größer der Beitrag. Und so eine besondere Geschichte hat, meiner Meinung nach,  jeder zu bieten.

Beispiel: Die Aquarellmalerin Gerda Simon malt Landschaften draußen in der Natur. Sie erzählte mir, dass es im Winter schon vorkomme, dass sie mit Handschuhen malt und einem Schuss Schnaps im Wasserglas, damit der Pinsel nicht festfriert. Das genügte mir schon, um aus der Künstlerin ihre Geschichte heraus zu holen. Ein anderes Beispiel: Karl Nassel malt eine Phantasiewelt, wie die aus „Yellow Submarine“. Er erzählte mir, dass man ihm riet seinen Stil zu ändern, denn er sei „zu bunt für Bayern.“ Das ist ein wunderbares Zitat, mit dem ich sofort den Einstieg in den Artikel schreiben konnte. Noch ein weiteres Beispiel: In Dimitri Vojnovs surrealistischen Bildern ist der Farbauftrag so subtil ausgeführt, kein haptischer Pinselstrich stört die exakte Ausführung seiner Figuren, Gesichter und Gegenstände: „Ich liebe die Menschen, es gibt also keinen Grund sie nicht perfekt darzustellen.“ Ein starkes Statement, mit dem er gegen den Strom der zeitgenössischen Meinung schwimmt, dass nur Abstraktes das Non plus ultra in der Kunst sei.

Wichtig ist auch, dass der Künstler im Gespräch mit dem Journalisten klar bei der Sache bleibt und sich nicht zu opulenten Formulierung hinreißen lässt. Denn sein Gegenüber muss verstehen, was er anschließend zu Papier bringt. Ganz wichtig ist, bei wenigen Aspekten zu bleiben, das heißt einen Schwerpunkt zu setzen, z.B. nur das aktuelle Thema, oder eine originelle Facette aus dem Künstlerleben.

Tausend Aspekte verwirren

Vor einiger Zeit schrieb ich ein Porträt über eine Malerin. Sie erzählte mir alle Einzelheiten aus ihrem Leben in gut zwei Stunden. Ich hörte zu, nickte brav, nahm alles in Stichpunkten schriftlich auf, dachte ich hab‘s kapiert, bis ich vor meinem leeren Blatt am PC saß. Ich fand keinen Einstieg, konnte den Kern der Botschaft nicht herausholen, ich wusste nicht mehr, was ich weglassen kann und was nicht. Denn ein Zeitungsartikel hat nun mal nur begrenzte Zeichenanzahl. Ich fand keinen roten Faden, schrieb trotzdem und quälte mich. Gott sei Dank stimmte ich den Text vor der Veröffentlichung mit der Künstlerin ab und bekam prompt den bitteren Kommentar serviert: „Schade, Sie haben mich scheinbar nicht verstanden.“

Fragen, die Journalisten stellen:

1)    Was wollen Sie mit Ihrer Kunst erreichen?
2)    Was wollen Sie ausdrücken?
3)    Welche Intention verfolgen Sie?
4)    Warum verwenden Sie diese Farbtöne, diesen Stil?
5)    Haben Sie Vorbilder?
6)    Wie lange arbeiten Sie schon künstlerisch?
7)    Wie haben Sie Ihre kreative Seite entdeckt?
8)    Sind Sie Autodidakt oder haben Sie Ihre Arbeit gelernt?
9)    Warum tragen Ihre Bilder keine Titel?
10)     Was macht Sie und Ihre Kunst einzigartig?

Fazit:

1)    Achten Sie auf eine klare Formulierung, damit ihre Intention verstanden wird.
2)    Versuchen Sie sich nicht im opulenten Fachjargon zu verstricken. So etwas ist gut für den Laudator aber nicht für den Zeitungsleser.
3)    Überlegen Sie sich vorher einen Aspekt, der sie als Künstler einzigartig macht.
4)    Und verwenden Sie knackige Zitate, denn die machen den Text erst lebendig und persönlich.

Folgende Artikel sind im regionalen Teil des Münchner Merkurs erschienen und anschließend im Autorennetzwerk Suite101.de von mir veröffentlicht worden:

Winterlandschaften von Gerda Simon
http://malen-zeichnen.suite101.de/article.cfm/winterlandschaften-in-aquarell

Artikel über Dimitri Vojnov
http://malen-zeichnen.suite101.de/article.cfm/dimitri-vojnovs-bildergeschichten-im-surrealismus-gemalt

Karl Nassels Welt aus Yellow Submarine
http://malen-zeichnen.suite101.de/article.cfm/popart-wie-die-phantasiewelt-von-yellow-submarine

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  1. Uwe küssner

    hallo Frau Weber !
    es ist interessant das einmal aus der Sicht des
    Reporters/ der Reporterin zu lesen, denn es ist ja immer schwierig, sich in die Position des Gegenüber “ Hinein zu denken“ – besonders bei
    einer Vernissage; Künstler sind da meist ziemlich
    nervös.
    Danke für Ihre Tipps; hat geholfen.
    Freundliche Grüße
    Uwe Küssner

  2. Hallo Frau Weber,

    herzlichen Dank für Ihren Artikel, der gut und gut verständlich geschrieben ist. Auch Ihre beigefügten Beispiele der 3 oben aufgeführten Künstler habe ich mir angesehen, – Sie haben es gut verstanden, uns diese Künstler sachlich und fachgerecht vorzustellen.

    Ihre

    Ulla Neuhaus

  3. Hallo Frau Weber,
    sehr gute Erkenntnisse, Danke für diese. Nur eines stört mich: Die Frage, „sind Sie Autodidakt oder haben Sie Ihre Arbeit gelernt“ klingt fast schon danach, dass ein Autodidakt vonvorneherein nichts könne (weil er/sie es ja nicht gelernt hat) oder sich praktisch entschuldigen müsse, wenn er/sie was kann! Ich kann Ihnen als gelernter Autodidakt sagen, dass so manches Bild eines Autodidakten besser ist als manches akademisch orientierte Werk.
    Meiner Meinung nach ist diese Frage überflüssig. Hauptsache der Künstler kann was!
    mfg
    Günter Weiler

  4. Avatar-Foto

    Hallo Herr Weiler,

    vielen Dank für Ihren interessanten Kommentar. Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob bei dem, was ein Künstler aus einer ‚Informationsfrage‘ eines Journalisten macht, genau der Hase im Pfeffer liegt?

    Die Fragen, ob man Autodidakt ist oder es ‚gelernt‘ hat, bezieht sich doch einfach darauf, wer Ihnen Ihr Handwerk beigebracht hat: Sie sich selbst und ohne freme Hilfe oder ob Sie eine Ausbildung und Lehrer hatten. Das ist erstmal eine ganz neutrale Frage und es ist nun mal in der Kunst so, dass es diesen Unterschied in der Ausbildung gibt. Es interessiert die Menschen nun mal, wie Sie Ihr Handwerk gelernt haben. Das ist erstmal überhaupt keine Wertung und die Frage hat nichts mit Ihrem Können an sich zu tun. Im Gegenteil: Wenn Sie herausragende Kunst machen UND Autodidakt sind, dann wird die Anerkennung nur umso größer sein. Frau Weber wollte Sie nur vorbereiten, mit welchen Fragen von Journalisten Sie als Künstler rechnen müssen.

    Wenn Sie das Gefühl haben, sich dafür entschuldigen zu müssen, dass Sie Autodidakt sind, wenn man Ihnen diese Frage stellt, dann ist das genau eins der Probleme, vor denen Frau Weber Sie warnen wollte. Journalisten werden so über Sie schreiben, wie Sie im Interview rüberkommen. Wenn Sie nicht selbstbewußt zu Ihrer eigenen Kunst stehen können und es offensichtlich als Makel empfinden, Autodidakt zu sein, dann transportieren Sie womöglich genau das Bild, das Sie vermeiden wollen. Da sollten Sie aufpassen, was Sie selbst aus einer Journalistenfrage machen.

    Wie haben Sie selbst so treffend geschrieben: ‚Hauptsache der Künstler kann was!‘ Dann ist es doch auch kein Problem, dem Journalisten zu sagen, wie man seine Kunst gelernt hat, oder?

    Herzliche Grüße

    Matthias Klopp

    P.S.: Die Fragen, die Ihnen die Journalisten stellen, können Sie nicht beeinflussen. Aber Ihre eigenen Antworten. Es liegt nunmal an Ihnen, wie Sie diese Chance nutzen.

  5. Zunächst danke für die guten Tips, finde diesen Artikel sehr hilfreich. Für August plane ich eine große Ausstellung, daher sind solche Themen eine gute Hilfestellung. Habe wieder etwas gelernt. Es grüßt HELENA

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