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Was dürfen (und müssen?) Künstler kopieren: Pastiche-Urteil zum Urheberrecht

Was dürfen Künstler kopieren? Pastiche-Urteil

Hast Du Dich schon mal geärgert, weil jemand Deine Idee oder Dein Kunstwerk ganz oder in Teilen ‚geklaut‘ hat?

Oder hast Du Dich schon öfter gefragt, ob es erlaubt ist, wenn Du diese Idee oder jenes Motiv eines anderen Künstler als Element oder Inspiration für Dein eigenes Kunstwerk verwendest?

Noch nie wurde so schnell und so einfach geklaut wie in den Zeiten des Internets.

Beide Fragen regelt deshalb in Deutschland u.a. das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG).

Für einen ganz konkreten Fall gibt jetzt aber auch ein Urteil vom Landgericht Berlin Antworten:

Durfte der Künstler Martin Eder den Kirschbaum kopieren?

In dem verhandelten Fall stritt der Künstler Martin Eder drei Jahre lang, ob er die Abbildung eines Kirschbaums kopieren durfte, die er im Internet gefunden hatte.

Er malte das Original eines anderen Künstlers 1:1 in sein eigenes Kunstwerk ‚The Unknowable‘. Daraufhin verklagte ihn der (angebliche) Schöpfer des Kirschbaums.

Wann und was darf ein Künstler ‚kopieren‘?

Übrigens: Jeder Künstler ‚kopiert‘!

Hey, Mann, jeder Künstler kopiert!!!

Höre ich Dich gerade laut widersprechen?

‚Ich kopiere doch nicht!‘

Nenne es ‚Kopieren‘ oder nenne es ‚Anleihe‘: Jeder Künstler übernimmt Elemente in seine Kunst, die es vorher schon gab. Manchmal sind es Anwandlungen dieser Elemente, manchmal Weiterentwicklungen, manchmal neue Kombinationen.

In der Urteilsbegründung heißt es dazu interessanterweise auch:

…, dass kein Künstler in einer Art Vakuum bei Null anfängt, sondern in einer Welt kultureller Geschichte wirkt und daher zwangsläufig mehr oder weniger auf Vorhandenem aufbaut.

Wie entsteht ein Kunstwerk?

Kreativer Prozess: Wie entstehen Ideen?

Der kreative Prozess: Neue Ideen kombinieren immer vorhandene Elemente

Kein Kunstwerk entsteht im luftleeren Raum. Jedes Kunstwerk greift auf vorhandene Elemente zurück. Häufiger auch auf bereits existierende Werke anderer Künstler und Urheber (Tipp: Wie werde ich kreativer? Wie kommen neue Ideen in den Kopf? und noch mehr Artikel zur Kreativität).

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Daher die etwas provozierende Überschrift: ‚Jeder Künstler kopiert!‘

Es kommt natürlich vor, dass die Übernahme eines Werk in ein anderes sehr offensichtlich ist. Daher ist es kein Wunder, dass es immer wieder zu Rechtstreitigkeiten, wenn ein Künstler das Werk eines anderen Urhebers in seinem Kunstwerk verwendet (Schutz vor geistigen Kunstdieben – Urheberrecht für bildende Künstler).

Das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) trat am 1. August 2021 in Deutschland in Kraft (UrhDaG). Es enthält neue Regeln, wie Nutzer*innen von Internet-Plattformen fremde Werke nutzen, nachahmen, übernehmen und veröffentlichen dürfen.

Es gibt nämlich einige Fälle, in denen das ‚Kopieren‘ erlaubt ist.

Im neuen Paragraf 51a werden Pastiche, Karikaturen und Parodien geregelt:

„Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches.“

Das Urteil stärkt die Freiheit der Kunst

Das Urteil stärkt die Freiheit der Kunst im Internetzeitalter.

Spiegel.de

Dieser Paragraf findet auch in dem Urteil zum Fall von Martin Eder und dem Kirschbaum Anwendung.

Das LG Berlin schrieb dazu in seiner Urteilsbegründung:

Nach § 51 a UrhG ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke der Karikatur, der Parodie und des Pastiches zulässig; diese Befugnis umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Quelle: Openjur.de

Was genau ist ein ‚Pastiche‘?

Was ist ein Pastiche?

Grundsätzlich ist ein Pastiche ist offene Imitation eines anderen Werkes:

Ein Pastiche (von französisch pastiche = Nachahmung, italienisch pasticcio = Paste) ist ein Kunstwerk literarischer, musikalischer, filmischer oder architektonischer Art, welches offen das Werk eines vorangegangenen Künstlers imitiert.

Wikipedia

Juristisch formuliert wird es natürlich etwas komplizierter:

Zum Pastiche lautet die Gesetzesbegründung (a.a.O., Seite 91): „In der Literaturwissenschaft und der Kunstgeschichte wurde der (französische) Begriff des Pastiche ursprünglich verwendet, um eine stilistische Nachahmung zu bezeichnen, also zum Beispiel das Schreiben oder Malen im Stil eines berühmten Vorbilds. Hierbei geht es meist weniger um die Nutzung konkreter Werke als um die Imitation des Stils eines bestimmten Künstlers, eines Genres oder einer Epoche. In der Musik ist der (italienische) Begriff des Pasticcio für anlehnende Nutzungen dieser Art gebräuchlich. Allerdings ist der Stil als solcher urheberrechtlich nicht geschützt. Insofern bedarf es keiner Schranke des Urheberrechts. Deshalb erlaubt der Pastiche im Kontext des Artikels 5 Absatz 3 Buchstabe k InfoSoc-RL über die Imitation des Stils hinaus grundsätzlich auch die urheberrechtlich relevante Übernahme fremder Werke oder Werkteile. Der Pastiche muss eine Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk oder einem sonstigen Bezugsgegenstand erkennen lassen. Anders als bei Parodie und Karikatur, die eine humoristische oder verspottende Komponente erfordern, kann diese beim Pastiche auch einen Ausdruck der Wertschätzung oder Ehrerbietung für das Original enthalten, etwa als Hommage. Demnach gestattet insbesondere der Pastiche, nach § 5 Absatz 1 Nummer 2 UrhDaG-E bestimmte nutzergenerierte Inhalte (UGC) gesetzlich zu erlauben, die nicht als Parodie oder Karikatur zu klassifizieren sind, und bei denen im Rahmen der Abwägung von Rechten und Interessen der Urheber und der Nutzer ein angemessener Ausgleich gewahrt bleibt. Zitierende, imitierende und anlehnende Kulturtechniken sind ein prägendes Element der Intertextualität und des zeitgemäßen kulturellen Schaffens und der Kommunikation im „Social Web“. Hierbei ist insbesondere an Praktiken wie Remix, Meme, GIF, Mashup, Fan Art, Fan Fiction oder Sampling zu denken. Das Unionsrecht begründet die Pflicht zur Einführung der nun in § 51 a UrhG-E verankerten Erlaubnisse in Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 2 DSM-RL und ErwG 70 DSM-RL ausdrücklich mit dem Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit. Die gesetzlichen Erlaubnisse müssen stets mit Blick auf die neuen elektronischen Medien gelesen werden (vergleiche bereits ErwG 31 Satz 2 InfoSoc-RL). Bei ihrer Auslegung sollten die Besonderheiten des jeweiligen analogen und digitalen Umfelds sowie der technologische Fortschritt berücksichtigt werden.“

Aus der Urteilsbegründung des LG Berlin

Anwaltskanzlei zeigt das betroffene Kunstwerk und arbeitet gegen Kunst statt Honorar

Hier findest Du die Meldung und eine kurze Erläuerung der Anwaltskanzlei Morrison & Foerster LLP mit einem Foto des betroffenenen Kunstwerk ‚The Unknowable‘ von Martin Eder:

https://www.mofo.com/resources/news/220317-plagiatsvorwurf-gegen-den-renommierten.html

Der Anwältin des Künstlers, Christiane Stützle, deren Berliner Kanzlei mehr als 250 Stunden an Eders Fall arbeitete, hat sich übrigens mit einem Kunstwerk des Künstlers bezahlen lassen.

Zugegeben, dieser Weg bleibt wohl eher den berühmten Künstlern vorbehalten. Aber jeder Künstler kann zumindest versuchen, seine Werke auch als Zahlungsmittel einzusetzen (Tipps zu Tauschgeschäften).

Die Moral von der Geschicht?

Sich als Künstler auch direkt fremder Werke zu bedienen, ist in bestimmten Fällen durchaus erlaubt. Profanes Klauen aber nicht.

Sich von anderen inspirieren zu lassen ist in jedem Fall erlaubt:

Inspirationen sind überall: Augen auf im Alltag!

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